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Die Verfall- bzw. Dekadenz-Theorie stellt die Geschichte der Kirche
grundsätzlich
nicht als Geschichte einer Kontinuität mit den Anfängen, sondern einzig und allein
als Geschichte eines generellen Abfalls und Verfalls dar:
Irgendwann habe nach dieser
Theorie der totale Verfall der Kirche eingesetzt und es sei der "Katholizismus"
entstanden. Erst infolge der
Reformation sei der "Katholizismus" abgetan worden und die Kirche quasi wie ein Phönix aus der Asche emporstiegen.
Kurios ist allerdings, daß der Beginn des behaupteten Niederganges der Kirche und der
Entstehung des "Katholizismus" allmählich immer früher angesetzt wurde:
- Zuerst mit dem Tode von Papst Gregor dem Großen (Anfang des
7. Jahrhunders),
- dann mit der sogenannten "Konstantinischen Wende" im 4. Jahrhunderts.
- Der protestantische Theologe Adolf von Harnack setzte die Geburtsstunde
des Katholizismus noch weiter zurück, nämlich an den Anfang des 2. Jahrhunderts.
Er schrieb: „Bezeichnet man unter ‘katholisch’ die Lehr- und Gesetzeskirche,
so ist sie damals im Kampf mit dem Gnosticismus entstanden.“
- Andere protestantische Gelehrte des 20. Jahrhunderts verlagerten das Entstehen
der katholischen Kirche sogar bis hinein ins Neue Testament: Man entdeckte in den
Pastoralbriefen des NT (1 + 2 Tim und Tit) den Gedanken der
"Überlieferung" und
ihrer "geordneten Weitergabe" (= Tradition). Man bemerkte dort Sorge um die rechte
Lehre, um das geordnete Amt und die kirchliche Disziplin und deutete dies als
untrügliche Zeichen des Entstehens des
sogenannten "Frühkatholizismus".
- So berühmte protestantische Theologen wie Ernst Käsemann († 1998), Hans
Conzelmann († 1989) und andere gingen dann noch weiter und fanden "Katholizismus"
schon bei den Evangelisten: „Der Frühkatholizismus
resultiert neutestamentlich letztlich aus dem Aufhören der Naherwartung, sofern
an deren Stelle die Ekklesiologie tritt“ – so zum Beispiel Käsemann.
- Inzwischen gehen protestantische Forscher auch den letzten konsequenten Schritt
auf diesem Weg: „Andere (protestantische Forscher) sind noch radikaler in der
Rückverlagerung der Geburtsstunde des Katholizismus. Jesus selbst sei
verantwortlich für ihn! Auch er habe die vom Vater empfangene Offenbarung in
definierte Inhalte, eine sprachlich fixierte Botschaft und von seiner
kulturellen Umwelt entlehnte Darstellungsformen übersetzt.“ (Leonardo Boff)
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