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... Als evangelische Philosophin begrüße ich
als Pendant zur Zulassung der Lateinischen Messe evangelische hochkirchliche
Bestrebungen, die eine Aufwertung der liturgischen Form gegen die
überhandnehmenden ‚Häresien der Formlosigkeit’ vornehmen. Schon Goethe hat laut
„Dichtung und Wahrheit“ (7. Buch) im evangelischen Gottesdienst die mangelnde
sakramentale Konsequenz und Fülle vermisst. ... Pietätvolle Bewahrung heißt nicht restaurative Fixierung auf ein archaisches überholtes Erbe, sondern Treue zum kostbarsten Anvertrauten und Pochen auf erlaubte Vielfalt gegen eine erzwungene Uniformierung. Eben dies fehlt der evangelischen Kirche immer wieder, die wie in vorlaufendem Gehorsam zum Zeitgeist von Anpassung zu Hörigkeit, von Hörigkeit zu pseudoliberaler Intoleranz gegen ihre eigenen Treuen im Lande voranschreitet. Eine sich selbst aufhebende Liberalität, in der alles erlaubt ist, aber niemand mehr ein „Dominus dixit“ („Der Herr hat gesprochen“) sagen darf, führt die Kirche in den Abgrund gesellschaftlicher und weltgeschichtlicher Unglaubwürdigkeit, den sie sich selbst bereitet hat. Edith Düsing, evangelische Kölner Philosophieprofessorin |