Startseite
Unsere Gottesdienste
Liturgischer Kalender
Unsere Gemeinschaft
Unser Glaube
Kirchliche Erneuerung
Tägliche Betrachtungen
Theologische Beiträge
Zum Nach-Denken
Un-Zeitgemäßes
Auf-Gelesenes
HAStA-Literatur
Suche
Kontakt / Impressum
Datenschutzerklärung
Haftungsausschluß

Der Große Katechismus: 7. - 8. Gebot

•  •


Das siebte Gebot

Du sollst nicht stehlen

Nach deiner Person und deinem Ehegemahl ist das zeitliche Gut das nächste; auch das will Gott verwahren, und so hat er geboten, daß niemand dem Nächsten das Seine entziehe oder verkürze. Denn Stehlen heißt nichts anderes als eines anderen Gut mit Unrecht an sich bringen. Darunter ist, kurz gesagt, verstanden jeder Vorteil, [den man sich] bei allen möglichen Handelsgeschäften zum Nachteil des Nächsten [verschafft]. Das ist nun ein sehr weitverbreitetes, allgemeines Laster, das aber so wenig beachtet und wahrgenommen wird, so sehr geht es über alles Maß hinaus. Es ist so: müßte man sie alle an den Galgen hängen, die Diebe sind, ohne daß sie doch so heißen wollen, so würde die Welt bald menschenleer werden und es sowohl an Henkern als an Galgen fehlen. Denn es soll, wie soeben gesagt, nicht bloß das gestohlen heißen, wenn man Kasten und Truhen ausräumt, sondern es soll sich erweitern auf den Markt, auf alle Kramläden, Fleischbuden, Wein- und Bierkeller, Werkstätten, kurz [auf alle Orte], wo man Geschäfte macht und Geld um Ware oder Arbeit nimmt und gibt.

Zum Beispiel, um es für das einfache Volk ein wenig handgreiflich zu erklären, damit man doch sehe, wie fromm wir sind: Angenommen, ein Knecht oder eine Magd dient im Hause nicht treu und richtet Schaden an oder lässt ihn geschehen, obwohl sie ihn verhindern könnte; oder sie verwahrlost und vernachlässigt sonst ihr Gut aus Faulheit, Unfleiß oder Bosheit dem Herrn oder der Frau zum Trotz und Verdruß, und aus welchen Gründen das sonst noch mutwillig geschehen kann, denn ich rede nicht von dem, was versehentlich und unabsichtlich getan worden ist. Da kannst du in einem Jahr dreißig oder vierzig Gulden und mehr entwenden. Wenn ein anderer das heimlich genommen oder weggetragen hätte, so müßte er am Strick ersticken; aber hier darfst du noch trotzen und pochen und niemand darf dich einen Dieb heißen.

Das gleiche sage ich auch von Handwerksleuten, Arbeitern, Tagelöhnern, wenn sie mutwillig handeln und nicht wissen, wie sie die Leute übervorteilen sollen, und dabei doch lässig und untreu in der Arbeit sind. Diese alle sind weit schlimmer als die heimlichen Diebe. Gegen solche kann man Schloß und Riegel anbringen, oder wenn man sie erwischt, spielt man ihnen so mit, daß sie es nicht mehr tun. Vor diesen aber kann sich niemand hüten, es darf sie auch niemand unfreundlich ansehen oder irgend eines Diebstahl bezichtigen. Zehnmal lieber sollte man etwas aus dem Beutel verlieren; denn hier handelt es sich um meine Nachbarn, um gute Freunde, um mein eigenes Gesinde, denen ich Gutes zutraue, während sie mich am allermeisten betrügen.

So ist es ferner auch auf dem Markt und bei den gewöhnlichen Handelsgeschäften mit aller Macht und Gewalt in Übung: Da betrügt einer den andern öffentlich mit falscher Ware, falschem Maß, falschem Gewicht, falscher Münze, und übervorteilt ihn mit List und seltsamen Finanztricks oder mit tückischen Geschäftskniffen; ebenso übernimmt er ihn mit dem Kaufpreis und beschwert, schindet und plagt ihn mutwillig. Und wer kann das alles aufzählen oder ausdenken? Kurzum, es ist das verbreitetste Handwerk und die größte Zunft auf Erden, und wenn man die derzeitige Welt in allen ihren Ständen ansieht, so ist sie nichts anders als ein großer, weiter Stall voll großer Diebe. Drum heißen sie auch Stuhlräuber, Land- und Straßendiebe. Es sind nicht Kastenräuber und Meucheldiebe (heimliche Diebe), die aus der Barschaft stehlen, sondern solche, die auf ihrem Stuhle sitzen und große Junker und ehrsame, rechtschaffene Bürger heißen und dabei unter dem Schein des Rechtes rauben und stehlen.

Ja, man könnte hier noch schweigen von kleinen, vereinzelten Dieben, wenn man die großen, gewaltigen Erzdiebe angreifen sollte, mit denen die Herren und Fürsten gemeinsame Sache machen, [und] die nicht [bloß] eine Stadt oder zwei, sondern ganz Deutschland täglich ausstehlen. Ja, wo bliebe das Haupt und der oberste Schutzherr aller Diebe, der Heilige Stuhl zu Rom mit all seinem Zubehör, der die Güter der ganzen Welt durch Dieberei an sich gebracht und bis auf diesen Tag inne hat? Kurz, so geht's zu in der Welt: Wer öffentlich stehlen und rauben kann, geht sicher und frei dahin, von jedermann ungetadelt, und will dazu noch geehrt sein. Währenddessen müssen die kleinen, heimlichen Diebe, die sich einmal [an fremdem Eigentum] vergriffen haben, die Schande und Strafe tragen, und so jene als fromm und ehrbar erscheinen lassen. Doch sollen jene wissen, daß sie vor Gott die größten Diebe sind; er wird sie auch strafen, wie sie es wert sind und verdienen.

Weil nun dieses Gebot sich so weit erstreckt, wie soeben gezeigt wurde, ist's notwendig, es dem Volk nachdrücklich vorzuhalten und ausführlich zu erklären; man darf es nicht so freizügig und sicher hingehen lassen, sondern muß ihm immer Gottes Zorn vor Augen stellen und einbleuen. Wir müssen ja das nicht Christen, sondern allermeist Spitzbuben und Bösewichtern predigen, denen wohl mit Recht der Richter, der Stockmeister oder der Meister Hans predigen sollte. Drum soll jeder wissen, daß er es bei Gottes Ungnade schuldig ist, nicht allein seinem Nächsten Schaden zuzufügen noch ihm seinen Vorteil zu entwenden noch beim Kauf oder irgend einem Handelsgeschäft irgendwelche Untreue oder Heimtücke an ihm zu verüben, sondern er soll auch sein Gut treulich bewahren, seinen Nutzen bewirken und fördern, besonders, wenn er Geld, Lohn und Nahrung dafür nimmt.

Wer nun dies mutwillig verachtet, kann wohl seines Weges gehen und dem Henker entlaufen, wird aber Gottes Zorn und Strafe nicht entgehen; und wenn er es in seinem Trotz und Stolz auch noch lange treiben mag - er wird doch ein Landstreicher und Bettler bleiben und alle Plage und alles Unglück dazu haben. Jetzt gehst du hin, und wo du deines Herrn oder deiner Frau Gut bewahren solltest, da füllst du dir statt dessen deinen Kropf und Bauch, nimmst deinen Lohn wie ein Dieb, lässest dich dazu feiern wie ein Junker. So gibt es viele, die ihren Herren und Frauen obendrein noch trotzen und ihnen ungern die Liebe und den Dienst erweisen, einen Schaden abzuwehren. Sieh aber zu, was du daran gewinnst: Wenn du selber ein Eigentum bekommst und in einem Hause sitzest, - und Gott wird dir zu deinem eigenen Unglück dazu helfen , soll sich's wieder wenden und [das Böse] heimkommen: wo du für einen Heller Abbruch oder Schaden getan hast, sollst du es dreißigfältig heimzahlen müssen.

Ebenso soll es den Handwerksleuten und Taglöhnern gehen, von welchen man zur Zeit unerträglichen Mutwillen hören und ertragen muß, als wären sie Junker über fremdes Gut, und als müsse ihnen jedermann ohne weiteres geben, soviel sie verlangen. Solche Leute lasse nur getrost [Geld] herausschinden, so lange sie können; aber Gott wird sein Gebot nicht vergessen und ihnen auch, entsprechend wie sie verdient haben, lohnen. Er wird sie nicht an einen grünen, sondern an einen dürren Galgen hängen; sie sollen ihr Leben lang nicht gedeihen und nicht vor sich bringen. Und wahrlich, wenn ein rechtes, ordentliches Regiment im Lande wäre, könnte man einen solchen Mutwillen bald steuern und wehren, wie es einst bei den Römern gewesen ist, wo man einen solchen flugs beim Schopf nahm, daß sich andere eine Warnung daraus nehmen sollten.

Ebenso soll es allen andern ergehen, die aus dem öffentlichen freien Markt nichts andres als einen Schindanger und ein Räuberhaus machen, wo man täglich die Armen übervorteilt und neue Beschwerung und Teuerung hervorruft. Jeder mißbraucht den Markt nach seinem Mutwillen und ist dazu [auch noch] trotzig und stolz, als hätte er die Befugnis und das Recht dazu, das Seine so teuer herzugeben, als es ihn gelüstet, und als dürfe ihm niemand dreinreden. Denen wollen wir zwar zusehen, sie schinden, zwacken und geizen lassen, aber Gott vertrauen, der doch ohnehin das Seine dazu tun wird. Wenn du [nämlich] lange genug [Geld] geschunden und zusammengescharrt hast, wird er einen Segen darüber sprechen, daß dir dein Korn auf dem Boden, dein Bier im Keller, dein Vieh im Stall verderbe. Ja, wenn du jemandem um einen Gulden täuschst und übervorteilst, soll dir's den ganzen Haufen wegrosten und wegfressen, daß du seiner nimmermehr froh werdest.

Das sehen und erfahren wir wahrlich täglich vor unseren Augen, wie es sich erfüllt, daß kein gestohlenes und mit falschen Mitteln gewonnenes Gut gedeiht. Wie viele gibt's, die Tag und Nacht scharren und kratzen und doch keinen Heller reicher werden! Selbst wenn sie viel sammeln, müssen sie doch [soviel] Plage und Unglück haben, daß sie es nicht mit Freuden genießen noch auf ihre Kinder vererben können. Aber weil sich niemand dran kehrt und wir unsres Weges gehen, als ginge es uns nichts an, muß Gott uns anders heimsuchen und Mores lehren, indem er eine Heimsuchung nach der andern über uns schickt oder einen Haufen Landsknechte bei uns zu Gaste lädt. Die räumen uns dann in einer Stunde Kasten und Beutel aus und hören nicht auf, solange wir noch einen Heller besitzen; dazu verbrennen und verheeren sie als Dank dafür Haus und Hof, schänden Weib und Kinder und bringen sie um. Und, zusammenfassend gesagt, stiehlst du viel, so mache dich fest darauf gefaßt, daß dir noch einmal soviel gestohlen wird; und wer mit Gewalt und Unrecht raubt und gewinnt, muß einen andern erleiden, der ihm auch ebenso mitspielt. Denn diese Kunst versteht Gott meisterhaft, daß er einen Dieb mit dem andern straft, weil jedermann den andern beraubt und bestiehlt. Wo wollte man sonst genug Galgen und Stricke hernehmen?

Wer sich's nun sagen lassen will, der wisse, daß es Gottes Gebot ist, und nicht für einen Scherz gehalten sein will. Denn wenn du uns verachtest, betrügst, bestiehlst und beraubst, wollen wir uns zwar noch dreinfinden und deinen Hochmut ausstehen, erleiden und gemäß dem Vaterunser vergeben und barmherzig sein; denn die Frommen müssen doch genug haben und du tust dir selbst mehr Schaden als einem andern. Aber davor hüte dich: Wenn die liebe Armut kommt, und solche gibt es jetzt viel, die von ihrem täglichen Pfennig einkaufen und leben müssen, und du fährst zu, als müßte jedermann von deiner Gnade leben, und schindest und schabst sie bis auf die Knochen, weisest dazu mit Stolz und Übermut den ab, dem du geben und schenken solltest, dann geht sie dahin, elend und betrübt, und weil sie es niemand klagen kann, schreit und ruft sie zum Himmel. Davor hüte dich, sage ich noch einmal, wie vor dem Teufel selber. Denn ein solches Seufzen und Rufen lässt nicht mit sich scherzen, sondern wird eine Wirkung haben, die dir und aller Welt zu schwer werden wird. Denn es wird bis zu dem dringen, der sich der armen, betrübten Herzen annimmt und sie nicht ungerächt lassen will. Verachtest du das aber und trotzest, so siehe zu, wen du gegen dich aufgebracht hast; wird dir's gelingen und wohlgehen, so sollst du Gott und mich vor aller Welt Lügner schelten.

Wir haben genug ermahnt, gewarnt und gewehrt; wer es nicht beachten und nicht glauben will, den lassen wir gehen, bis er's erfahre. Doch muß man dem jungen Volk das einprägen, daß sie sich in Hut nehmen und nicht dem zügellosen Haufen der Alten nachfolgen, sondern sich Gottes Gebot vor Augen halten, damit nicht Gottes Zorn und Strafe auch über sie ergehe. Uns gebührt nichts weiter als zu reden und zu strafen mit Gottes Wort; um aber diesen öffentlichen Mutwillen zu steuern, dazu gehören Fürsten und die Obrigkeit, die selbst Augen dafür und den Mut dazu hätten, bei all den Handelsgeschäften und Käufen Ordnung herzustellen und aufrechtzuerhalten, damit die Armut nicht beschwert und unterdrückt werde und sie selber sich nicht mit fremden Sünden zu beladen brauchten.

Damit sei genug von dem gesagt, was stehlen heißt. Man darf also [den Begriff] nicht so eng fassen, sondern muß ihn so weit ausdehnen, als wir es mit dem Nächsten zu tun haben. Und, um es wie bei den vorigen [Geboten] kurz zusammenzufassen, so ist dadurch erstens verboten: wir sollen dem Nächsten keinen Schaden und Unrecht tun, einerlei, welche Art und Weise man sich dabei auch ausdenken mag, um ihm Hab und Gut zu verkürzen, zu schädigen und vorzuenthalten; auch sollen wir in solches [Unrecht] nicht einwilligen noch es gestatten, sondern ihm wehren und zuvorkommen. Andrerseits ist [etwas] geboten: wir sollen dem Nächsten sein Gut fördern und bessern, und falls er Not leidet, ihm helfen, ihm mitteilen, ihm etwas vorstrecken und das bei Freunden wie auch bei Feinden. Wer nun gute Werke sucht und begehrt, wird hier übergenug finden, die Gott von Herzen angenehm und wohlgefällig sind. Dazu sind sie mit vortrefflichem Segen begnadet und überschüttet: es soll reichlich vergolten werden, was wir unsrem Nächsten zum Nutzen und aus Freundschaft tun. So lehrt auch der König Salomo: "Wer sich des Armen erbarmt, der leiht dem Herrn; der wird ihm seinen Lohn wiedervergelten." Da hast du einen reichen Herrn, der dir gewiß genug ist und dir nichts gebrechen und mangeln lassen wird; so kannst du mit fröhlichem Gewissen in den Genuß von hundertmal mehr kommen als du mit Untreue und Unrecht zusammenscharrst. Wer nun vom Segen nichts mag, der wird Zorn und Unglück finden.

 

Das achte Gebot

Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider Deinen Nächsten

Außer unserem eigenen Leib, unserem Ehegemahl und unserem zeitlichen Gut haben wir noch einen Schatz, den wir auch nicht entbehren können, nämlich Ehre und guten Ruf. Denn es kommt darauf an, nicht unter den Leuten in öffentlicher Schande, von jedermann verachtet, zu leben.

Darum will Gott des Nächsten Leumund, guten Ruf und Gerechtigkeit so wenig wie Geld und Gut genommen oder verkürzt haben, damit jeder vor seinem Weib und Kind, vor Gesinde und Nachbarn in Ehren dastehe. Und [zwar] ist das nächstliegende Verständnis dieses Gebots gemäß seinem Wortlaut: "Du sollst nicht falsch Zeugnis reden" zuerst auf das öffentliche Gericht bezogen, wo man einen armen, unschuldigen Mann verklagt und durch falsche Zeugen unterdrückt, damit er an Leib, Gut oder Ehre gestraft werde. Das scheint uns nun jetzt wenig anzugehen; aber bei den Juden kam es außerordentlich oft vor. Denn dieses Volk hatte nach seiner Verfassung ein feines, geordnetes Regiment; und, wo sonst noch ein solch Regiment ist, da geht es ohne diese Sünde nicht ab. Die Ursache ist diese: Wo nämlich ein Richter, Bürgermeister, Fürst oder eine andere Obrigkeit (zu Gericht) sitzt, da bleibt es niemals aus; es geht nach der Welt Lauf, daß man niemanden gerne beleidigen will, und so heuchelt man und redet nach Gunst, Geld, Hoffnung oder Freundschaft; währenddessen muß ein armer Mann mit seiner Sache sich unterdrücken lassen, unrecht haben und Strafe erleiden.

Es ist eine allgemeine Plage in der Welt, daß im Gericht selten fromme Leute sitzen. Denn es gehört vor allen Dingen ein frommer Mann zum Richter, und nicht bloß ein frommer, sondern auch ein weiser, gescheiter, und vor allen Dingen ein frommer Mann zum Zeugen. Denn wer alle Sachen recht richten und mit dem Urteil durchgreifen soll, wird oftmals gute Freunde, Schwäger, Nachbarn, Reiche und Gewalthaber erzürnen, die ihm in vielen dienlich sein oder schaden können. Darum muß er ganz blind sein. Augen und Ohren zutun, auf nicht sehen noch hören, als stracks vor sich hin auf die Sache selbst, die ansteht, und dementsprechend muß er seinen Entschluß fassen.

Darauf ist nun erstens dieses Gebot zu beziehen, daß ein jeder seinem Nächsten zu seinem Rechte helfen und es nicht hindern oder beugen lassen, sondern es fördern und stracks darüber wachen soll, mag er Richter oder Zeuge sein und mag es betreffen, was es will. Und besonders ist hiermit unseren Herrn Juristen ein Ziel gesteckt: sie sollen sich vorsehen und recht und aufrichtig mit den [Streit-]Sachen umgehen. Was Recht ist, sollen sie Recht bleiben lassen und andererseits nicht verdrehen oder bemänteln oder verschweigen, ohne Rücksicht zu nehmen auf Geld, Gut, Ehre oder Herrschaftsgewalt. Das ist ein Punkt dieses Gebotes und sein nächstliegendes Verständnis; [demnach bezieht es sich auf] alles, was vor Gericht vorkommt.

Sodann erstreckt sich [das achte Gebot] sehr viel weiter, wenn man es [zweitens] aufs geistliche Gericht oder Regiment bezieht. da geht es so zu, daß jeder wider seinen Nächsten falsch zeugt. Denn wo fromme Prediger und Christen sind, da werden sie von der Welt so beurteilt, daß man sie Ketzer, Abtrünnige, ja aufrührerische und heillose Bösewichte heißt. Dazu muß sich Gottes Wort aufs schändlichste und giftigste verfolgen, lästern, Lügen strafen, verkehren und fälschlich anführen und deuten lassen. Aber das nehme seinen Gang! Es ist ja der blinden Welt Art, daß sie die Wahrheit und Gottes Kinder verdammt und verfolgt, und es doch nicht für eine Sünde hält.

Drittens ist - was uns alle zugleich betrifft - in diesem Gebot jede Zungensünde verboten, wodurch man dem Nächsten Schaden antut oder zu nahe tritt. Falsch Zeugnis reden ist ja nichts andres als ein Werk des Mundes: alles nun, was man mit dem Mundwerk gegen den Nächsten tut, das will Gott gewehrt haben, ob es nun falsche Prediger mit ihrer Lehre und ihren Lästerungen sind, oder falsche Richter und Zeugen mit ihrem richterlichen Urteil oder sonst, außerhalb des Gerichts [alles] Lügen und Übelreden. Hierher gehört besonders das leidige, schändliche Laster der falschen Nachrede oder Verleumdung, womit uns der Teufel reitet; davon wäre viel zu sagen. Denn es ist eine allgemein verbreitete schädliche Plage, daß jedermann lieber Böses als Gutes von seinem Nächsten sagen hört. Obwohl wir selber so böse sind, daß wir es nicht ertragen können, wenn uns jemand ein böses Stück nachsagt, sondern jeder gerne will, daß alle Welt nur das Beste von ihm redet, können wir trotzdem nicht hören, wenn man von andern das Beste sagt.

Um eine solche Untugend zu vermeiden, sollen wir uns deshalb merken: niemand ist dazu befugt, über seinen Nächsten öffentlich zu urteilen und zu strafen. Denn es ist ein ganz großer Unterschied zwischen den zweien: dem Richten einer Sünde und dem Wissen einer Sünde. Wissen kannst du sie wohl, aber richten sollst du sie nicht. Sehen und hören kann ich wohl, daß mein Nächster sündigt, aber es andern gegenüber weiterzusagen, dazu habe ich keinen Auftrag. Wenn ich nun zufahre, richte und urteile, so gerate ich in eine Sünde, die größer ist als jene. Weißt du es aber, so tu nichts anderes, als daß du aus deinen Ohren ein Grab machst und es zuscharrst, bis du den Auftrag bekommst, Richter zu sein und von Amts wegen zu strafen.

Nachredner heißt man nun solche, die es nicht beim Wissen [einer Sünde] bewenden lassen, sondern weiter gehen und dem Gericht vorgreifen. Wenn sie ein Stücklein von einem andern wissen, so tragen sie es in alle Winkel, kitzeln und krauen sich vor Behagen, daß sie den Unrat eines andern aufrühren können wie die Säue, die sich im Kote wälzen und mit dem Rüssel darin wühlen. Das ist nichts anderes als Gott in sein Gericht und Amt fallen, urteilen und mit dem schärfsten Urteil strafen. Denn kein Richter kann strenger strafen oder weiter gehen, als indem er sagt: Der da ist ein Dieb, Mörder, Verräter usw. Wer sich deshalb untersteht, etwas Derartiges von seinem Nächsten zu sagen, der greift ebensoweit wie der Kaiser und die Obrigkeit. Denn wenn du auch nicht das Schwert führst, so gebrauchst du doch deine giftige Zunge dem Nächsten zu Schande und Schaden.

Darum will Gott dem gewehrt haben: Niemand soll dem andern Übles nachreden, selbst wenn jener wirklich schuldig ist und dieser es genau weiß; noch viel weniger, wenn er es nicht weiß und es bloß vom Hörensagen vernommen hat. Aber vielleicht wendest du ein: "Soll ich's denn nicht sagen, wenn es die Wahrheit ist?" Antwort: "Warum trägst du es nicht vor den ordentlichen Richter" "Ja, ich kann's nicht öffentlich bezeugen, man könnte mir sonst vielleicht übers Maul fahren und mich übel abweisen." Ei, Lieber, riechst du den Braten? Getraust du dich nicht, vor [dazu] verordneten [Amts]personen zu stehen und dich zu verantworten, dann halte das Maul. Weißt du es aber, so wisse es für dich, nicht für einen andern. Denn wenn du es weiter sagst, auch wenn es wahr ist, stehst du doch als ein Lügner dar, weil du es nicht als wahr beweisen kannst; und dazu machst du es wie ein Bösewicht. Denn man soll niemandem seine Ehre und seinen guten Ruf nehmen, solange sie ihm nicht öffentlich genommen wird.

Somit heißt nun "falsch Zeugnis" alles, was man nicht beweisen kann, wie sich's gehört. Was darum nicht durch genügende Beweisführung offenbar ist, soll niemand offenbar machen und als Wahrheit ausgeben. Und zusammenfassend gesagt, was heimlich ist, soll man heimlich bleiben lassen oder wenigstens heimlich strafen, wie wir [noch] hören werden. Wenn dir darum ein unnützes Maul vorkommt, das einen andern austrägt und verleumdet, so sage es ihm frisch ins Gesicht, daß er schamrot werde; so wird mancher das Maul halten, der sonst einen armen Menschen ins Gerede bringt, aus der er schwerlich wieder herauskommen kann. Denn Ehre und guter Name ist bald genommen, aber nicht bald wiedergegeben.

So siehst du, daß rundweg verboten ist, von dem Nächsten etwas Böses zu reden. Davon ausgenommen sind jedoch weltliche Obrigkeit, Prediger, Vater und Mutter, da dieses Gebot [ja auch] so zu verstehen ist, daß das Böse doch nicht ungestraft bleiben dürfe. Da ist es nun wie beim fünften Gebot, nach dessen Wortlaut man niemandem am Leibe Schaden tun soll mit Ausnahme des Meister Hans, der von Amts wegen dem Nächsten nichts Gutes, sondern nur Schaden und Böses antut, ohne damit wider Gottes Gebot zu sündigen. Denn Gott hat dieses Amt um seinetwillen eingesetzt, da er sich ja, wie er im ersten Gebot droht, die Strafe nach seinem Belieben vorbehalten hat. Ebenso auch hier [beim achten Gebot]. Für seine eigene Person soll keiner jemanden richten oder verdammen; wenn jedoch diejenigen es nicht tun, denen es befohlen ist, so sündigen sie ebensosehr als einer, der es von sich selber aus täte, ohne den amtlichen Auftrag dazu zu haben. Denn hier erfordert es die Notwendigkeit, von dem Übelstand zu reden, Klage zu erheben. Aussagen zu machen, zu verhören und zu zeugen. Und zwar geht es hier nicht anders zu als bei einem Arzt, der zuweilen denjenigen, den er heilen soll, an verborgenen Stellen ansehen und betasten muß, [die man sonst nicht zeigt]. Ebenso sind Obrigkeit, Vater und Mutter, ja sogar Brüder und Schwestern und sonstige gute Freunde untereinander verpflichtet, das Böse zu strafen, wo es nötig und nützlich ist.

Das aber wäre die rechte Weise, wenn man sich an die Ordnung des Evangeliums hielte Matth 19, wo Christus spricht: "Sündigt dein Bruder an dir, so gehe hin und weise ihn zurecht zwischen dir und ihm allein." Da hast du eine köstliche, feine Belehrung, wie man die Zunge recht regiert, die zu merken ist gegen den leidigen Mißbrauch. Darnach richte dich nun, daß du den Nächsten nicht so schnell anderswo ins Gerede bringst und ihm nachredest, sondern ihn im geheimen vermahnst, daß er sich bessere. In gleicher Weise [mach es] auch, wenn dir ein anderer etwas zu Ohren trägt, was der oder jener getan hat: belehre ihn auch so, daß er hingehe und den Betreffenden selber zurechtweise, falls er es gesehen hat: andernfalls soll er das Maul halten.
Das kannst du auch aus dem täglichen Hausregiment lernen. Denn so macht es der Herr im Haus: wenn er sieht, daß der Knecht nicht tut, was er soll, so redet er ihn selbst daraufhin an. Wenn er aber so toll wäre und ließe den Knecht daheim sitzen und ginge hinaus auf die Gassen, um es den Nachbarn zu klagen, so würde er gewiß hören müssen: "Du Narr, was geht das uns an? Warum sagst du es nicht ihm selber?" Sieh, das wäre nun recht brüderlich gehandelt: so würde dem Übel gesteuert und dein Nächster bliebe bei Ehren. So sagt auch Christus an der genannten Stelle: "Hört er dich, so hast du deinen Bruder gewonnen." Damit hast du ein großes, vortreffliches Werk getan. Denn meinst du, daß es ein gering Ding sei, einen Bruder zu gewinnen? Laß alle Mönche und heiligen Orden mit allen ihren Werken auf einen Haufen zusammenschmelzen und mit ihnen vortreten, ob sie den Ruhm aufbringen können, daß sie einen Bruder gewonnen haben?

Weiter lehrt Christus: "Will er dich aber nicht hören, so nimm noch einen oder zwei zu dir, damit alle Sache stehe auf zweier oder dreier Zeugen Munde." Man soll also immer mit dem selber verhandeln, den es angeht, und nicht ohne sein Wissen ihm etwas nachreden. Will aber das nicht helfen, dann trage es öffentlich der Gemeinde vor, sei es vor einem weltlichen oder geistlichen Gericht. Denn hier stehst du nicht allein, sondern hast jene Zeugen neben dir, durch welche du den Schuldigen überführen kannst; darauf kann der Richter sich gründen, urteilen und strafen. So kann es in geordneter und rechter Weise dahin kommen, daß man den Bösen wehrt oder sie bessert. Sonst, wenn man einen andern mit dem Maul durch alle Winkel herumträgt und den Unflat aufrührt, wird niemand gebessert, und nachher, wenn man dafür einstehen und zeugen soll, will man es nicht gesagt haben. Darum würde es solchen Mäulern recht geschehen, wenn man ihnen ihren Kitzel tüchtig austriebe, damit andere sich dadurch warnen ließen. Wenn du es zur Besserung deines Nächsten oder aus Liebe zur Wahrheit tätest, würdest du nicht heimlich daherschleichen und den Tag und das Licht scheuen.

Das alles ist nun von geheimen Sünden gesagt. Wenn aber die Sünde ganz öffentlich ist, daß der Richter und jedermann wohl weiß, so kannst du [den Betreffenden] ohne alle Sünde meiden und fahren lassen als einen, der sich selbst zu Schaden gemacht hat; außerdem kannst du auch öffentlich über ihn zeugen. Denn bei dem, was offen am Tage liegt, kann es sich um kein übles Nachreden und um kein falsches Richten oder Zeugen handeln; so z.B. wenn wir jetzt den Papst mit seiner Lehre zurechtweisen, die ja öffentlich in Büchern an den Tag gegeben und in aller Welt ausgeschrieen worden ist. Denn wenn die Sünde öffentlich ist, soll auch verdientermaßen eine öffentliche Strafe darauf folgen, daß sich jedermann davor zu hüten wisse.

So haben wir nun [folgenden] zusammenfassenden Sinn und allgemeines Verständnis dieses Gebots: Niemand soll seinem Nächsten, er sei Freund oder Feind, mit der Zunge schaden noch etwas Böses von ihm reden, gleichviel, ob es wahr oder erlogen ist, sofern es nicht einem [amtlichen] Auftrag gemäß oder zur Besserung geschieht. Sondern man soll seine Zunge dazu gebrauchen und dienen lassen, von jedermann das Beste zu reden, seine Sünde und Gebrechen zudecken, entschuldigen und mit seiner Ehre beschönen und schmücken. Ursache davon soll vor allem das sein, was Christus im Evangelium anführt und womit er alle Gebote gegen den Nächsten zusammengefaßt haben will. "Alles, was ihr wollt, daß euch die Leute tun, das tut ihr ihnen auch."

Auch die Natur lehrt uns das an unserm eigenen Leibe, wie der hl. Paulus 1. Kor 12 sagt: "Die Glieder des Leibes, die uns die schwächsten zu sein scheinen, sind die nötigsten, und die uns am wenigsten ehrbar zu sein scheinen, denen tun wir am meisten Ehre an, und die uns übel anstehen, die schmückt man am meisten." Das Gesicht, Augen, Nase und Mund deckt niemand zu, denn sie bedürfen dessen nicht, da sie an und für sich [schon] die ehrbarsten Glieder sind, die wir haben. Aber die allergebrechlichsten, deren wir uns schämen, die bedeckt man mit allem Fleiß; da müssen Hände, Augen samt dem ganzen Leibe zudecken und verhüllen helfen. Ebenso sollen auch wir alle untereinander das, was an unserem Nächsten nicht ehrbar und gebrechlich ist, schmücken und mit allem was wir können, zu seiner Ehre dienen, helfen und förderlich sein, und umgekehrt abwenden, was ihm zur Unehre gereichen kann. Und im besonderen ist es eine feine, edle Tugend, wenn einer alles, was er von einem Nächsten reden hört, sofern es nicht öffentliches Böses ist, gut auslegen und zum besten deuten oder wenigstens es ihm zuguthalten kann, im Gegensatz zu den giftigen Mäulern, die mit Fleiß suchen, wo sie am Nächsten etwas Tadelnswertes aufspüren und erhaschen können, und es dann aufs ärgste auslegen und verkehren, wie es jetzt vor allem dem lieben Gotteswort und seinen Predigern geschieht.

Darum sind in diesem Gebot gar mächtig viel gute Werke zusammengefaßt, die Gott höchlich wohlgefallen und die überfließendes Gut und Segen mit sich bringen, wenn nur die blinde Welt und die falschen Heiligen sie erkennen wollten. Denn es gibt nichts an und im ganzen Menschen, was in geistlichen und weltlichen Sachen mehr und weiter Gutes schaffen oder Schaden tun kann, als die Zunge, die doch das kleinste und schwächste Glied ist.


nach oben