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Segen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften?

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13 Landeskirchen der EKD erlauben derzeit[1] nach kirchenrechtlichen Bestimmungen ihrer Pfarrerschaft, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften in einem öffentlichen Gottesdienst zu segnen.[2] Unter ihnen ist die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau bisher die einzige, die eine solche Segnung kirchenrechtlich mit einer Trauung gleichstellt.
Seit Juni 2013 gilt ein solcher öffentlicher Gottesdienst in dieser Landeskirche als offizielle Amtshandlung, die in den Kirchenbüchern urkundlich geführt wird. Der hanoversche Landesbischof Ralf Meister kündigte für seine Landeskirche eine entsprechende Gottesdienst-Ordnung an.
[3]

Landeskirchen, die eine gottesdienstliche Begleitung homophiler Partnerschaften zulassen, betonen, diese Feier sei nicht mit einer Trauung zu verwechseln. In Oldenburg sollen deshalb keine Ringe getauscht und kein Trauversprechen abgenommen werden. In Westfalen werden die Segnungsfeiern „Partnerschaftsandachten“, in Berlin „öffentliche Andachten“ genannt. In Kurhessen-Waldeck unterscheidet sich eine solche Segnung von einer Trauung dadurch, dass der Vorgang in einem eigens dafür angelegten Lebenspartnerschaftsbuch oder in einer kirchlichen Segnungsurkunde dokumentiert wird. Nach Auskunft des Marburger Propstes Helmut Wöllenstein wird anders als bei der Trauung kein Ehepaar begrüßt, sondern Partnerinnen oder Partner. Man wird ferner „um Gottes Segen für die Partnerschaft bitten und nicht für die Ehe.“[4]

Es irritiert, wenn hier nur von „Segensbitten“ die Rede ist. Offensichtlich geht es ja diesen bislang 13 Landeskirchen vor allem darum, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften gesegnet werden sollen. Die agendarischen Möglichkeiten dürften zumindest intentional dafür eröffnet sein. Der Orientierungshilfe des Rates der EKD entnehme ich ebenfalls diese erklärte Zielsetzung[5].

Die Verwirrung wird zunächst nicht geringer, wenn wir uns die Nachfrage gestatten, was eigentlich in einer solchen öffentlichen Segnungsfeier tatsächlich geschieht.
Dazu ist zunächst zu klären, was mit Segen und Segnen gemeint ist.
Unter praktischen Theologen wird zunächst im Einklang mit religionsgeschichtlicher und religionswissenschaftlicher Forschung unter einem Segen ein Schwellenritus verstanden, wirkmächtig, auf Gott bezogenen formuliert, häufig von Gestik begleitet und zumindest im evangelischen Verständnis inhaltlich eine Konzentration des Evangeliums.
[6] Die sprachliche Untersuchung des hebräischen Textes Num 6, 24-30 zeigt nach B. J. Diebner[7], dass sich die Intention des Segens im biblischen Kontext “auf Zeit und Geschehen jenseits der Schwelle” bezieht, auf der er gesprochen wird.
“Der Segen hat eine für seine Intention und Funktion im gottesdienstlichen Geschehen ‘typische’ und angemessene Sprache”. Es handelt sich dabei um den Modalis, der allerdings ganz unterschiedliche Wirklichkeitsverständnisse zur Sprache bringen kann. Diebner nennt neben den modalen Aspekten die konsuetive und futurische Bedeutung des Modalis, weshalb er empfiehlt, den im Hebräischen modal formulierten Segen durch deutschen Potentialis wiederzugeben. Das hebräische Sprachempfinden bringt damit zum Ausdruck, daß die Realisierung des Segens in der Potenz Gottes allein begründet liegt und nicht ex opere operato im Vollzug eines bloßen Sprachgeschehens.

Das Segenswort teilt nach biblischem Verständnis also realiter eine Gabe mit, was insbesondere Martin Luther und die an ihn anknüpfende theologische Tradition hervorhebt. Segnen heißt demnach “einem Menschen ein für ihn gemachtes Gnadengut durch Wort und Gebet zueignen”[8]. “Der Segen Jahwes ist ... in souveräner Freiheit gespendete Gnadengabe Gottes, mit der er einzelnen oder einem Volke seine Gunst zuwendet”.[9] “In der Kraft der Verheißung Christi, in der Kraft seiner wortgebundenen Pneumagegenwart, übermittelt das Segenswort die Gabe, die es ausspricht”[10], auch wenn der Segen erst in Zukunft fruchtbar werden sollte.

Schon Luther hat an verschiedenen Stellen von diesem dezidiert exhibitiven Charakter des Segens gesprochen. Segensworte sind keineswegs “nur ein leerer Schwall von Worten”, wie er in seiner Auslegung von Gen 27,28f. betont, sie sind nicht exoptatio (Wunsch), sondern donatio (Gabe), es sind reale Segnungen, und darum nicht optativisch, sondern indikativisch zu verstehen.[11] “Sie schicken und bringen, was die Worte aussagen, in der Tat.”[12] Der Segen ist ein Handeln Gottes, das einen heilsamen Zustand bewirkt. Insofern gleicht der gesprochene Segen in seiner Struktur und Funktion eher dem Absolutionswort als der Verheißung.

Dieses im Segen vermittelte Gnadengut lässt sich näher bestimmen als die heilsamen Kräfte des Heiligen Geistes, die Leben gewährend, erhaltend, stärkend und vollendend wirken. Segen ist Lebenskraft; wer Segen spendet, der belebt. Segen bedeutet „Steigerung des Lebens“[13], die oftmals in quantitativer wie qualitativer Hinsicht real nachweisbar ist, wie bei der Segnung des ersten Menschenpaares in Gen 1,28 eben als Vermehrung und Fruchtbarkeit.

Dabei ist der Begriff ‘Leben’ äußerst vielschichtig zu verstehen, denn die Heilige Schrift kennt neben der Segnung von Tieren (Gen 1,22; 9,1) und Menschen (Gen 1,27; 12,1-3 etc.) durch Gott auch Realbenediktionen (Gen 2,3; 1. Kor 10,16 etc.). Wie ein gesegneter Mensch können solche gesegneten Realien zu “belebenden” Segensträgern werden, ohne selbst im biologischen Sinn “lebendig” zu sein.

Wer segnet und wer soll gesegnet sein?
Leben ist nur unter geordneten Rahmenbedingungen möglich. Gott offenbart sich in der Bibel als Schöpfer von Ordnung, der Lebensraum gewährt und gestaltet. Segen ergeht darum geordnet.
[14] Segen ist mit pneumatischer Realität gefüllte Größe, aus sich heraus wirklich und so selbstverständlich auch wirksam. Aber nur, weil Gott selbst als Herr des Lebens Autor allen Segens ist. Wenn Menschen segnen, können sie darum nicht mehr und nichts anderes weitergeben, als das ihnen von Gott anvertraute Segensgut. Dieses ist inhaltlich klar umrissen und nicht qualitativ oder quantitativ beliebig erweiterbar.[15]

Es ist deshalb exegetisch völlig ausgeschlossen, aus dem biblischen Befund eine Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften abzuleiten, wie er nach Gen 1,27 dem weiblichen und männlichen Paar[16] zugesprochen wurde.

Zurück zur Ausgangsfrage: Was geschieht, wenn gleichgeschlechtliche Partnerschaften gesegnet werden sollen?
Bei der nicht erst in der aktuellen Debatte um die „Orientierungshilfe“ der EKD zur Familie entstandenen Verwirrung um das, was kirchlicher Segen bedeutet, wundert nicht, dass Kollegin Hildebrandt gar nicht erst einen „Segen“ der Kirche für ihre Lebenspartnerschaft einholte.
[17]
Vom theologisch qualifizierten Segen scheint kirchlich nicht viel mehr als eine Wellnessvokabel übrig geblieben zu sein, kostengünstig, beinah beliebig einsetzbar und passend für jede Lebenslage, viel versprechend aber wenig ertragreich. Es täuscht zusätzlich über den Gehalt dessen hinweg, was religionswissenschaftlich und religionsgeschichtlich insbesondere im evangelischen Kontext mit Segen intendiert ist, wenn unterschiedliche Etikettierungen, äußere Riten oder Verwaltungsvorgänge bemüht werden, um öffentliche Segnungsfeiern gleichgeschlechtlicher Partnerschaften von Trauungen abzugrenzen.

Gottes Segen ist mehr und noch anderes als dass er seine Sonne scheinen lässt über Böse und Gute. Eine Sprachhandlung schon deshalb als Segen zu bezeichnen, nur weil ein Wortlaut liturgisch korrekt vorgetragen wurde, obgleich er inhaltlich nicht gedeckt ist, untergräbt die Glaubwürdigkeit kirchlichen Handelns. Derartige Vorgänge empfinde ich allen Beteiligten gegenüber als unredlich.
Es ist durchaus auch möglich, sich gesegnet zu fühlen ohne deshalb aber den versprochenen Segen empfangen zu haben. Dann aber werden kirchliche Segenshandlungen nicht nur von ihren Verächtern als belangloses religiöses Theater empfunden, das beliebig durch nichtkirchliche Schwellenriten ersetzt werden kann.
Wie glaubwürdig ein Segen gespendet wird, hängt an dem dazu ermächtigenden „äußeren Wort“ Gottes. Nur dadurch ist gewährleistet, dass nach evangelischem Verständnis gesegnet wird.

Keine der bislang 13 Landeskirchenleitungen der EKD, die ihren Pfarrern erlauben, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften zu segnen, können jedoch auf ein solches sie ermächtigendes Wort verweisen. Weder biblische, noch frühjüdische oder altkirchliche Traditionen lassen sich als positive Begründung für derartige Feiern zitieren[18]. Es ist den Betroffenen gegenüber unredlich, ihnen etwas zu versprechen, was nicht einzulösen ist. Und es ist im höchsten Grad verantwortungslos, der Pfarrerschaft etwas abzuverlangen, was von ihr gar nicht geleistet werden kann.

Pfarrer Ernst Nestele, Winderlingen

 

[1] Stand September 2013

[2] So der Bericht in ideaSpektrum 34.2013 S.9 zur „Homo Trauung“: Hessen-Nassau prescht allein vor.

[3] DT vom 17. September 2013 Nr 112 S.8.

[4] Das Zitat ist wie die folgenden Abschnitte nach dem zitierten Bericht wiedergegeben.

[5] „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“. Eine Orientierungshilfe des Rates der EKD, S. 67.

[6] Vgl. Bernd Jörg Diebner, Der sog. „Aaronitische Segen“ (Num 6,24-30) - biblischer Text und liturgische Praxis, in: FS für Frieder Schulz, Heidelberg 1988, S.201-218.

[7] Ebd.; die folgenden Ausführungen sind in meinem Büchlein zur „Aussegnung Verstorbener. Liturgische Feier unter seelsorgerlichem Aspekt“ mit entsprechenden Belegen in umfangreicherer Form wiedergegeben.

[8] Theodor Kliefoth, Liturgische Abhandlungen Bd. 1, 1854.

7 H. W. Beyer, Art. eulogew, eulogia in THWNT/II, 754.

8 Peter Brunner, Zur Lehre vom Gottesdienst, 201.

[11] Dazu ausführlich Luther in: WA 43,524,32-525,26.

[12] So bei P. Brunner, 201 f.

[13] Vgl. Gabriele Fleischmann, Verlass mich nicht, wenn ich schwach werde, o.J.; ebf. Claus Westermann, Der Segen in der Bibel und im Handeln der Kirche, 1968.

[14] Etwa der Vätersegen im Buch Genesis und der Priestersegen Num 6. Vgl. auch Hebr 7,7.

[15] Damit hatte schon Isaak seine Not, als er Esau den schon Jakob gespendeten Erstgeburtssegen nicht ebenfalls weitergeben konnte.

[16] Im hebr. Wortlaut sind ausdrücklich die geschlechtsspezifischen Termini genannt.

[17] DPfBl 8/2013, S. 472.

[18] Es ist irreführend, wenn Andreas Dreyer mit seinen Gedanken zur EKD-Familien-Orientierungshilfe (DPfBl 9/2013, S.531) suggeriert, mit dem dort intendierten Paradigmenwechsel elementarer sozialer und kultureller Formen, wie sie mit Ehe, Familie und Geschlecht verbunden sind, habe eine epochale Rückbesinnung des Protestantismus auf die altkirchlichen Wurzeln der Christenheit statt gefunden. Weit näher läge, von einer epochalen Abkehr zu sprechen. Die Alte Kirche wusste zumindest noch gut, was Segen bedeutet, wer autorisiert ist, Segen zu spenden und wem der Segen Gottes gilt.